Transit Authority -
die U-Bahn in einer Hand
Gleisreste vor dem
Fährterminal in Hoboken. Die vierziger und fünfziger Jahre brachten schwerwiegende
Einschnitte im Schienenverkehr und bedeuteten vor allem das Ende der
Straßenbahnherrlichkeit in und um New York.
Die zahlreichen, oft in gegenseitiger
Konkurrenz zueinander existierenden Verkehrsgesellschaften mußten, um überhaupt
überleben zu können, sich zusammenschließen. Das galt für Straßenbahnen ebenso wie
für die Eisenbahn und die U-Bahn. |
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Der Zusammenschluß von IRT, BMT und IND |
Die große
Krise zu Beginn der 30er Jahre forderte ihre Opfer. 1932 mußte auch die IRT Konkurs
anmelden. Die Zeiten, da ein finanzkräftiger August Belmont alle Schwierigkeiten aus dem
Weg räumen konnte, waren vorbei, Belmont starb im Jahre 1924. Der nach wie vor mit fünf
Cent zu niedrige Fahrpreis trug ein weiteres zum Niedergang des Unternehmens bei. Die
Einnahmen, wenn es nach Begleichung der Betriebskosten überhaupt noch welche gab,
verschlangen die Hochbahnstrecken, die die IRT von den Manhattan Railways gepachtet hatte,
und die inzwischen auf Grund ihres Alters höchst unrentabel geworden waren. Als ersten
Schritt aus der Misere erwog man daher, diesmal im Einklang mit der Stadt, die Hochbahnen,
die mehr und mehr auch ästhetisch unbefriedigten, stillzulegen und die Viadukte
abzureißen. Vorher mußten jedoch die Anteilseigner der Strecken, die der IRT ja nicht
gehörten, finanziell zufriedengestellt werden. Dies war nicht möglich und bescherte dem
Vorhaben so ein vorzeitiges Ende, währenddessen eine Besserung der Lage nicht in Sicht
kam. |
Während
sich die eine Gesellschaft mit ihrem drohenden Aus konfrontiert sah, verlief die
Entwicklung für die andere eher positiv. Die aus dem Bankrott der BRT hervorgegangene BMT
konnte ihre wirtschaftliche Stuation stabilisieren. Der Wagenpark wurde erneuert und durch
die Inbetriebnahme des Nassau Street Loop stiegen die Fahrgastzahlen enorm. |
Auch die
IND setzte ihren Erfolgskurs ab 1936 mit der Eröffnung weiterer Strecken fort. Mit der
Inbetriebnahme der Rutgers Street Tubes wurde eine zweite Verbindung zwischen Manhattan
und Brooklyn herstellt. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der U-Bahn-Tunnel unter dem
East River auf neun. Auf der neuen Fulton Street Line verkehrten die Züge von Court
Street bis Rockaway Avenue. Die Queens Boulevard Line bekam an ihrem östlichen
Ende Zuwachs und erreichte als zweite U-Bahn-Linie Jamaica (nach der Jamaica Line der
BMT). Ebenso konnte der noch fehlende südliche Abschnitt der Crosstown Line in Brooklyn
fertiggestellt werden. Bis 1940 folgten die beiden Localgleise der Sixth Avenue Line in
Manhattan (die Expressgleise kamen erst später hinzu); damit erreichte das Streckennetz
der IND im wesentlichen seine heutige Gestalt. Nur noch vereinzelte Erweiterungen, vor
allem durch die Übernahme ehemaliger Eisenbahnstrecken, sollten es vervollständigen.
1939 bis 1940 betrieb die IND eine Zweigstrecke von Kew Gardens zur damaligen
Weltausstellung in Flushing Meadows. Die Trasse verlief ebenerdig und wurde nach
Beendigung der Ausstellung wieder abgebaut. Heute verläuft hier ein Teil einer Autobahn,
des Van Wyck Expressways. |
In den
"Dual Contract"- Vereinbarungen wurden seinerzeit die privaten Gesellschaften
zur Abzahlung der durch die Stadt für den U-Bahn-Bau aufgenommenen Kredite verpflichtet.
Seit dem Beginn der Laufzeit der Verträge zahlten die beiden Partner an die Stadt weit
weniger als ursprünglich erwartet, die Summe belief sich bei der IRT auf 19 Mio. Dollar,
von der BRT bzw. ihrem Nachfolger BMT kam überhaupt kein Geld zurück. Die Ursache
hierfür bestand in dem Passus, wonach beide Betreiber erst ihre eigenen Unkosten
ausgleichen durften, bevor irgendwelche Beträge an die Stadt abgeführt wurden. Aufgrund
der wirtschaftlich schlechten Situation - beide Gesellschaften befanden sich
zwischenzeitlich in Konkurs - übernahm die öffentliche Hand den Großteil der Unkosten
in Höhe von 183 Mio. Dollar. Dies und die Tatsache, daß ab Beginn der dreißiger Jahre
die Fahrgastzahlen stetig zurückgingen, verstärkten die Bemühungen, einen einheitlichen
U-Bahn-Betrieb zu schaffen. Ein 1937 eingereichter Plan zur Vereinigung der drei
Gesellschaften wurde ein Jahr später, nach einigen kleineren Änderungen, durch das
Parlament abgesegnet. |
1940 war es
soweit. Am 2. Juni endete die Existenz der Brooklyn-Manattan Transit Corporation. Für
einen Betrag von 175 Mio. Dollar übergab sie bereits am Vortag in einer feierlichen
Zeremonie im Rathaus ihren Besitz sowie die Betriebsrechte an die Stadt. Schon am 31. Mai
erstand diese die Hochbahnstrecken der BMT und legte noch am gleichen Tag den verbliebenen
Rest der Fulton Street Line, deren größter Teil ja schon für die IND-Strecke unter der
Fulton Street hatte weichen müssen, sowie die 5th Avenue Line in Brooklyn still. In
Betrieb blieb weiterhin die Myrtle Avenue Line nach Park Row über die Brooklyn
Bridge sowie die östliche Verlängerung der Fulton Street Line von East New York entlang
der Liberty Avenue bis Lefferts Boulevard. Anderthalb Wochen nach Erwerb der BMT
vollzog sich am 12. Juni 1940 in einer gleichartigen Zeremonie die Übernahme der
Interborough Rapid Transit Company. Für 151 Mio. Dollar wechselte das Eigentum der IRT
seinen Besitzer. Gleichzeitig erwarb die Stadt die Hochbahnstrecken der Manhattan
Railways. Deren Ninth Avenue Line sowie der größte Teil der Second Avenue Line wurden
stillgelegt. Somit blieb nur die Third Avenue Line weiter in Betrieb, nachdem schon 1938
die Strecke in der Sixth Avenue für den U-Bahn-Bau abgerissen wurde (der Stahl der
demontierten Viadukte wurde im übrigen an den späteren Kriegsgegner Japan verkauft, was
im Nachhinein harsche Kritik hervorrief). |
Alle drei
Gesellschaften, die IRT, die BMT sowie die IND waren nun Betriebsteile des Board of
Transportation, behielten aber vorerst ihre eigenen Strukturen. Somit war auch die Arbeit
der Transit Commission getan. |
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Mit dem Zusammenschluß der drei U-Bahngesellschaften
verbesserten sich die Umsteigebeziehungen. Vor der Borough Hall in Brooklyn führt
gemeinsamer Zugang zu den Linien der IRT und der BMT. |
Der Zweite
Weltkrieg brachte einen Aufschwung an Fahrgastzahlen. 1941 begann ein Shuttle-Verkehr auf
der ehemaligen Eisenbahnstrecke der New York, Westchester & Boston Railway zwischen East
180th Street und Dyre Avenue. Verwaltungstechnisch wurde diese Linie
Bestandteil der IND, wenn auch isoliert von deren übrigen Strecken. Im gleichen Jahr
endete der Betrieb auf der verbliebenen Hochbahnstrecke der Second Avenue Line zwischen South
Ferry und Queensboro Plaza über die Queensboro Bridge. Ebenfalls stillgelegt
wurde die ehemalige BMT-Hochbahnstrecke von Park Row über die Brooklyn Bridge. Die
Züge der verbliebenen Myrtle Avenue Line endeten seitdem bereits an der Jay Street. |
Indessen
setzte sich der Vereinheitlichungsprozeß der U-Bahn fort. Der Betrieb wurde effizienter
und sollte nun, gefestigt durch den Zusammenschluß, seine Stärke beweisen gegenüber
einer wachsenden Konkurrenz, die in unserer Zeit zum beherrschenden Symbol geworden ist -
dem Automobil. |
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Die Entwicklung im Zeitalter des Automobils |
Nach dem
Ende des Krieges ging das Passagieraufkommen erwartungsgemäß wieder etwas zurück.
Obwohl 1947 noch über zwei Milliarden Passagiere befördert wurden, sank deren Zahl bis
1950 auf 1,68 Milliarden im Jahr. Im Herbst 1949 änderte sich der bisher auf der Flushing
sowie der Astoria Line von der IRT und BMT durchgeführte Mischbetrieb dahingehend, daß
die Astoria Line an die BMT abgegeben wurde, während die Flushing Line Teil des
IRT-Netzes blieb. |
Die Queens
Boulevard Line der IND erfuhr 1950 im Osten eine geringfügige Erweiterung bis zur 179th
Street und eine 1955 in Betrieb genommene Verbindung zwischen den 60th Street Tubes
und Queens Plaza ermöglichte den Übergang von BMT-Zügen auf das Streckennetz der
IND. Umgekehrt fuhren bereits seit 1954, mit der Einweihung einer Verbindungsstrecke von Church
Avenue nach Ditmas Avenue, Züge der IND über die Culver Line der BMT Richtung
Stillwell Avenue auf Coney Island. Die BMT reduzierte dafür ihren Zuglauf und
bediente auf der Culver Line nur noch den Abschnitt 9th Avenue - Ditmas Avenue.
Somit erfüllte sich die Vision des Bürgermeisters Hylan, der als geistiger Vater des
IND-Systems die durchgehende Verbindung von der Bronx bis Coney Island als Aufhänger
seiner Kampagne propagierte. |
1956
vergrößerte sich das Netz der U-Bahn um mehr als 17 Kilometer. An diesem Tag fuhr der
erste U-Bahn-Zug auf der ehemaligen Eisenbahnstrecke nach Rockaway. Die auf einer
feueranfälligen Holzkonstruktion über die Jamaica Bay führende Verbindung wurde von der
ehemaligen Gesellschaft, der Long Island Railroad, nach einem besonders verheerenden Brand
im Jahre 1950 aufgegeben. 1953 kaufte die Stadt die Strecke und ersetzte die Holzbrücken
durch einen Damm aus Sand. Am nördlichen Ende bot sich der Anschluß an die seit Ende der
vierziger Jahre bis Euclid Avenue verlängerte Fulton Street Line der IND an. Zu
diesem Zweck wurde die Fulton Street Line mit der ehemaligen BMT-Hochbahnstrecke nach Lefferts
Boulevard verbunden und von dieser dann ein Abzweig zur Rockaway Line hergestellt. Die
Eröffnung der Rockaway Line stellt in zweifacher Hinsicht ein Novum in der Geschichte der
New Yorker U-Bahn dar. Zum einen gelang es das erste Mal, einen geplanten
Fertigstellungstermin einzuhalten, zum anderen wurde - abweichend von der gängigen Praxis
- ein doppelter Fahrpreis verlangt. Obwohl die Rockaway Line mit dem IND-Netz verbunden
ist, wurde sie in den ersten Jahren unabhängig davon betrieben. Durchgehende Züge
wechselten dabei in Rockaway Boulevard die Fahrer und Schaffner. |
Für die
Hochbahn ging das Sterben weiter. Schon am 12. Mai 1955 fuhr der letzte Zug auf der Third
Avenue Line in Manhattan; in der Bronx blieb die Strecke weiter in Betrieb. Etwas länger
überlebte ein kurzes Reststück der Ninth Avenue Line. Bei deren Stillegung im Jahre 1940
klammerte man eine knapp anderthalb Kilometer lange Strecke über den Harlem River aus,
die die Polo Grounds in Harlem mit der Station 167th Street der Jerome Avenue Line
verband. Ein Shuttleverkehr brachte die Zuschauer zum damaligen Heimatstadion der
"New York Giants". Nach dem Weggang der kompletten Baseballmannschaft nach San
Francisco hörte auch die Ninth Avenue Line 1958 endgültig auf zu existieren. |
Ursprünglich
sollte die Third Avenue Line in Manhattan durch eine unterirdische Strecke, die Second
Avenue Subway, ersetzt werden. Daß deren Realisierung auf sich warten ließ, jedoch immer
wieder angekündigt wurde, war symptomatisch für die Arbeit des Board of Transportation
zu jener Zeit. Diese Behörde ging mit immer großartigeren Zukunftsplänen an die
Öffentlichkeit, ohne sich der Gegenwart zu widmen, die durch wachsenden Verschleiß,
Ausfälle und überfüllte Züge nicht gerade zum Imagegewinn der U-Bahn beitrug.
Infolgedessen entstand wieder einmal ein neues Amt, das unter dem Namen Transit Authority
ab 1953 nur für den Betrieb der drei Netzteile IRT, BMT und IND zuständig war. Die TA
bezog am 15.Juni des Jahres Quartier in der Jay Street in Brooklyn. |
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Auch die Eisenbahn bekam die Konkurrenz des Automobils zu
spüren. Ursprünglich befand sich die Rampe der Flushing Line bei Hunterspoint Avenue
inmitten ausgedehnter Gleisanlagen. Inzwischen hat sich stattdessen üppige Vegetation
ausgebreitet. |
Der
gestiegene Instandhaltungsbedarf und schwindende Einnahmen ließen vorerst nicht an
weitere Streckeneröffnungen denken. Nach elfjähriger Pause traten dann 1967 mit der
Freigabe der Chrystie Streets Connections erhebliche Veränderungen im Linienschema ein.
Die neue Verbindung von der Manhattan Bridge zur Sixth Avenue Line ermöglicht es den
BMT-Zügen, von Brooklyn kommend, in Manhattan auf das Streckennetz der IND zu wechseln
und umgekehrt. Dafür wurde die alte Route von Manhattan Bridge nach Chambers Street aufgegeben.
Der von der Transit Authority kurz danach gestartete Versuch, das bisherige Ordnungsschema
durch ein neues zu ersetzen - die IRT wurde als A-System, BMT und IND zusammen als
B-System bezeichnet - setzte sich glücklicherweise nicht durch, und die alten
Bezeichnungen blieben erhalten (lediglich betriebsintern griff das neue Schema). |
1968
folgten zwei kurze Streckenverlängerungen. Der Personenverkehr auf der Seventh Avenue
Line wurde bis Lenox Terminal ausgedehnt; dort wurde für die Züge der IRT ein neuer
Bahnsteig errichtet. Auf der Sixth Avenue Line der IND ging eine Stichstrecke zur 57th
Street in Betrieb. Zusätzlich erhielt die 1940 nur zweigleisig eröffnete Sixth
Avenue Line nun endlich ihre von Anfang an vorgesehenen Expressgleise. Mit diesen
Eröffnungen sollte sich das Bild des New Yorker U-Bahnnetzes bis in die jüngste Zeit
nicht mehr ändern. Das Automobil setzte sich immer mehr als Zeichen gewachsenen
Wohlstandes durch. Zuerst zu spüren bekamen das die Straßenbahnen. 1956 fuhr die letzte
in Brooklyn und in New York überhaupt. Ebenso standen die Viadukte der Hochbahnen dem
Straßenausbau im Wege und führten auch deswegen zu deren Stillegung. |
Für die
U-Bahn bedeutete die Zunahme des motorisierten Individualverkehrs ein weiteres Absinken
der Fahrgastzahlen, und daraus folgend die Einschränkung des Zugangebotes, verlängerte
Taktzeiten und nicht zuletzt - allgemeine Unzufriedenheit. |
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Der Tiefpunkt in den 70ern |
Die zweite
Hälfte der 60er Jahre war bestimmt durch politische Unruhen und Arbeitsniederlegungen.
Ein von der Transportarbeitergewerkschaft unter der Führung von Michael Joseph Quill
(1905-1966), ihrem populären Vorsitzenden, ab dem 1. Januar 1966 durchgeführter Streik,
der eine zweiwöchige Lahmlegung des gesamten New Yorker U-Bahn- und Busverkehrs zur Folge
hatte, gipfelte in der ohnmächtigen Reaktion der Staatsgewalt, Quill und seine ganze
Führungsriege festzunehmen. Trotz dieser Willkürmaßnahme ging die Gewerkschaft als
Sieger aus dieser Auseinandersetzung hervor. Quill, der während seiner Haft einen
Herzanfall erlitten hatte, starb kurz nach seiner Entlassung am 28. Januar. Sein
Begräbnis gestaltete sich zu einer außerordentlichen Ehrerweisung durch 3000
Gefolgsleute in der St. Patricks Cathedral. |
Im November
1967 wurde die in Schwierigkeiten geratene Long Island Railroad vom Staat New York
aufgekauft und der Kontrolle der neugegründeten Metropolitan Commuter Transportation
Authority (MCTA) unterstellt. Aber bereits ein Jahr später, am 1. März 1968, ging diese
in einer übergeordneten Verwaltungsbehörde, der Metropolitan Transportation Authority
(MTA), auf. Sie übernahm neben dem gesamten Oberflächenverkehr in Manhattan und der
Bronx (der Straßenbahn- und Busverkehr in Brooklyn und Queens ging schon 1940 als
Bestandteil der BMT in die Hände der Stadt über) auch die Aufgaben der Transit
Authority und war somit für die New Yorker U-Bahn verantwortlich. Gleichzeitig erhielt
die MTA die Rechte an den Einnahmen der gebührenpflichtigen Brücken über den East River
sowie einiger Unterwassertunnel. Mit den Geldern sollten die Defizite bei der U-Bahn
ausgeglichen werden. Interessanterweise waren in den dreißiger Jahren die Prioritäten
umgekehrt. Damals bestanden Überlegungen, durch eine Erhöhung der Fahrpreise zur
Finanzierung dieser Brücken beizutragen. |
Unter der
Regie der MTA entstanden einmal mehr hochfliegende Pläne zum Ausbau des Netzes. Die
Second Avenue Line kam erneut ins Gespräch, sowie eine Strecke nach Rosedale am
östlichen Rand von Queens, die mit der Jamaica Line der BMT sowie der Queens Boulevard
Line der IND verbunden werden sollte. Unter dem East River war ein zusätzlicher Tunnel in
Höhe der 63rd Street vorgesehen, der vom bisherigen Endpunkt der Sixth Avenue Line an der
57th Street eine Verbindung nach Queens Plaza herstellen und in einer den
Stadtteil Queens durchquerenden Hauptstrecke seine Fortsetzung finden sollte. |
Die
Realität hingegen sah anders aus. Eine von der Gewerkschaft 1968 durchgesetzte Forderung,
nach der entsprechend der Regelung bei Polizei und Feuerwehr nach zwanzigjähriger
Betriebszugehörigkeit die Pension eingereicht werden kann, führte zu einem drastischen
Verlust an Facharbeitern bei der U-Bahn, und es war nicht möglich, in der Kürze der Zeit
neue in ausreichender Zahl auszubilden. Eine Lösung des Problems fand man in der
Verlängerung der Instandhaltungsfristen für die Triebfahrzeuge. Dies führte nun
wiederum, aufgrund des erhöhten Verschleisses, zu Ausfällen und Verzögerungen im
Betrieb. Die heruntergekommenen Wagen verschreckten immer mehr Fahrgäste, die auf andere
Verkehrsmittel auswichen. Es kam zu Unfällen, und so makaber es ist, genau an derselben
Stelle des Malbone Street Unglücks von 1918 fuhr ein U-Bahn-Zug am 1. Dezember 1974 gegen
die gleiche Tunnelwand, glücklicherweise im Schrittempo, so daß weder Verletzte noch
Tote zu beklagen waren. |
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Der Niedergang der U-Bahn war offensichtlich. So wie in der
Station Chambers Street der BMT nagte der Zahn der Zeit an vielen Stellen im
gesamten Netz. |
Am 27.
Oktober 1972 erfolgte der erste Spatenstich für die Second Avenue Subway in Höhe der
103rd Street. Aber schon drei Jahre später wurden die Bauarbeiten eingestellt. Der
desolate Zustand des vorhandenen Netzes zwang zum Einsatz von Investitionen vorrangig auf
dem Sektor der Instandhaltung, und auch die Zahlungsunfähigkeit der Stadt New York gegen
Mitte der siebziger Jahre forderte Konsequenzen. |
Die Folge
waren Stillegungen. Im Vorgriff dieser Entwicklung fuhr bereits 1969 (am 4. Oktober) der
letzte Hochbahnzug in Brooklyn auf der Myrtle Avenue Line. Diese wird seitdem nur noch auf
dem nördlichen Abschnitt zwischen Myrtle Avenue und Metropolitan Avenue von
U-Bahn-Zügen bedient. 1973 verschwand die Hochbahn endgültig aus dem New Yorker Leben.
Die Third Avenue Line in der Bronx stellte am 6. April ihren Betrieb ein und wurde durch
eine Buslinie ersetzt. Der durch die BMT betriebene Abschnitt der Culver Line zwischen 9th
Avenue und Ditmas Avenue wird seit 1975 nicht mehr befahren. |
Trotz der
sinkenden jährlichen Fahrgastzahlen, die mittlerweile nur noch die Hälfte betrugen
gegenüber dem um 1930 mit zwei Milliarden erreichten Bestwert, blieb das
Verkehrsaufkommen im morgendlichen und abendlichen Berufsverkehr nahezu konstant. Das
heißt, zu den Spitzenzeiten war (und ist) nach wie vor der gleiche Aufwand an Fahrzeugen
und Personal erforderlich. |
Zusätzlich
zu ihrer prekären Lage hatte die U-Bahn in den Siebzigern mit einer neuen Plage zu
kämpfen, den Graffities. Unbekannte Künstler schmückten über Nacht ganze Wagen mit
ihren "tags" - Markenzeichen, die in der Szene zu einem wahren Wettkampf
führten. Es galt, durch immer auffälligere Bemalungen die Überlegenheit gegenüber der
Konkurrenz zu demonstrieren. Die glatten Wagenflächen (einschließlich der Fenster) gaben
dafür eine hervorragende Leinwand ab. Prädestiniert waren natürlich Züge, die auf den
Hochbahnstrecken in der Bronx, in Queens und in Brooklyn verkehrten und die Botschaft
weithin verkündeten. |
Mittlerweile
gestaltete sich auch die Zeitungslektüre in der U-Bahn zu keinem leichten Unterfangen, da
von außen nur wenig Licht durch die bemalten Fenster nach innen drang, und in den Wagen
auf Grund der Vernachlässigung nur einige der Lampen tatsächlich funktionierten. In
dieser Situation behauptete sich eine den New Yorkern innewohnende Eigenart: sich in allen
Lebenslagen auf die Gegebenheiten einzustellen. |
Als
positives Ereignis dieser Dekade soll die Eröffnung des "New York Transit
Museum" abschließend Erwähnung finden. Seit dem 1. Juli 1976 repräsentieren in den
Räumlichkeiten eines stillgelegten U-Bahnhofes zahlreiche Pläne, Fahrzeuge und
Ausstattungsgegenstände auf anschauliche Weise die Entwicklung der New York Subway. Der
Bahnhof Court Street an der Fulton Street Line, der nur bis 1946 durch IND-Züge
von Hoyt-Schermerhorn Streets aus bedient wurde (das Verkehrsaufkommen entsprach
nicht den Erwartungen), liefert hierfür ein hervorragendes Ambiente. |
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Der
Eingang zum New York Transit Museum in der Schermerhorn Street in Brooklyn. Die
Öffnungszeiten des Museums (Stand 1999) sind Dienstag bis Freitag 10-16 Uhr, am
Wochenende 12-17 Uhr. Montag ist Ruhetag.
Neben der Dauerausstellung über die
Geschichte der New Yorker U-Bahn finden auch Veranstaltungen zu speziellen Themen statt,
z.B. Vortragsabende mit Verkehrshistorikern. |
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Die Wiederentdeckung der U-Bahn und ihre Zukunft |
Die
scheinbare Ohnmacht gegenüber den Graffitimalereien sowie die hohe Zahl von Überfällen
offenbarten ein enormes Sicherheitsdefizit bei der U-Bahn. Um der Lage Herr zu werden,
verstärkte man die Polizeipräsenz auf den Bahnhöfen und in den Wagen. Die
Abstellanlagen wurden gesichert, um den Zutritt von Unbefugten zu unterbinden, die
besprühten Züge bekamen einen neuen Anstrich und die intensivierte Kontrolle im
Zusammenhang mit einer verstärkt durchgeführten Reinigung verbesserten das allgemeine
Erscheinungsbild in den achtziger Jahren. |
Nachdem
sich die finanzielle Situation der Stadt stabilisierte, konnte auch die Erneuerung des
Wagenparks angegangen werden. Für die IRT und die BMT/IND wurden in ihrer Bauart gleiche,
jedoch im Lichtraumprofil voneinander abweichende Neubauzüge beschafft, die die
Verschrottung älterer, noch aus Vorkriegszeiten stammender Baureihen ermöglichten. |
Auch die
Umsetzung der auf Eis gelegten Planungen konnte in kleinen Schritten wiederaufgenommen
werden. 1988 ging eine neue Strecke in Betrieb, die hinter Kew Gardens von der
Queens Boulevard Line der IND abzweigend, gemeinsam mit der Jamaica Line der BMT in Jamaica
Center eine Verbindung zum dortigen Bahnhof der Long Island Railroad herstellt. Der
bisherige Abschnitt der Jamaica Line zur 168th Street wurde zugunsten der neuen
Strecke bereits im Jahre 1977 aufgegeben. Die ursprünglich verfolgte Absicht, in Jamaica
direkt an die Long Island Railroad anzuschließen und den U-Bahn-Verkehr über deren
Strecke Richtung St. Albans, Springfield Gardens und Rosedale auszudehnen, wurde
fallengelassen und stattdessen ein bequemer Übergang zur Eisenbahn geschaffen. Ein
weiteres, lange Zeit im Bau befindliches Vorhaben konnte 1989 abgeschlossen werden. In
jenem Jahr wurde die Verlängerung der Sixth Avenue Line von der 57th Street in
Manhattan nach Queensbridge fertiggestellt. Diese zehnte, den East River
unterquerende Verbindung bedient erstmals auch Roosevelt Island, eine Insel im East River,
die zwar schon seit 1920 von einer U-Bahn unterquert, bisher aber nicht mit einem Bahnhof
bedacht wurde. Interessanterweise besitzt der neue Unterwassertunnel zwei Ebenen. Die
untere ist dabei für die Züge der Long Island Railroad bestimmt, die einmal zu einem
neuen Terminal in der East Side fahren sollen. Als Ersatz für den lange Zeit auf sich
warten lassenden U-Bahn-Anschluß wurde 1976 eine Seilbahn ("Aerial Tramway")
von der Second Avenue in der East Side nach Roosevelt Island gebaut, die eigentlich mit
der Inbetriebnahme der U-Bahn ihren Zweck erfüllt hat. Doch mittlerweile entwickelte sich
dieses Verkehrsmittel zu einer Touristenattraktion und bleibt darum weiterhin in Betrieb. |
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Obwohl die
Streckeneröffnungen am Ende der achtziger Jahre beispielhaft sind für die allgemein
positive Entwicklung der New Yorker U-Bahn und die Überwindung der Krise unterstreichen,
steht die Realisierung anderer Projekte weiterhin in den Sternen. |
Die neue
Verbindung nach Queensbridge besitzt momentan nur geringen Verkehrswert (wenn man
von der Erschließung Roosevelt Islands einmal absieht). Geplant ist der Anschluß an die
Queens Boulevard Line der IND, der Bau einer separaten Strecke durch Queens wurde dafür
aufgegeben. Die teilweise begonnenen Abschnitte der Second Avenue Subway dämmern unter
der Erde vor sich hin, vermutlich für ewige Zeiten. Dabei hat diese Linie, die an die
Jerome Avenue Line und Pelham Bay Park Line im Norden sowie an mehrere Strecken in
Downtown Manhattan anschließen soll, nach wie vor einen hohen Verkehrswert und würde
spürbar zur Entlastung der Lexington Avenue Line beitragen - der bisher einzigen auf der
Ostseite Manhattans verlaufenden Nord-Süd-Verbindung. Zu hoffen bleibt, daß der Verzicht
auf den weiteren Streckenausbau einer intensiven Zuwendung der Netzinstandhaltung zugute
kommt. |
Trotz allem
läßt sich am Ende des 20. Jahrhunderts eine beeindruckende Bilanz ziehen. Was 1904 mit
dem Eröffnungszeremoniell in City Hall begann, entwickelte sich im Laufe der Zeit
zum wohl bedeutendsten U-Bahn-Betrieb der Welt, wo bis heute über 100 Milliarden
Fahrgäste befördert wurden. Bemerkenswert bleiben die Umstände, die die Entwicklung des
Netzes begleiteten. Die Planungen erfolgten in einer Komplexität, wie es sonst nur bei
der Moskauer Metro anzutreffen ist. Während dort, auch aus Prestigegründen, die Macht
Stalins zur Umsetzung verhalf, entschieden in New York - allein aus der Notwendigkeit
heraus, der Verkehrsprobleme Herr zu werden - bevollmächtigte Behörden im Interesse der
Stadt. Die im Laufe der Zeit einander ablösenden Kommissionen wurden jeweils zu Synonymen
verschiedener Entwicklungsetappen. Die Rapid Transit Commission legte den Grundstein für
die U-Bahn. Durch die Public Service Commission fiel die Entscheidung, getrennte Netze zu
entwickeln und es wurden gleichzeitig die "Dual Contract"- Vereinbarungen
geschlossen, deren Strecken noch heute das Grundgerüst bilden. Die Transit Commission
fügte ein drittes, städtisches System hinzu, und unter Verantwortung des Board of
Transportation wurde die Vereinigung aller U-Bahnen vollzogen. Die Integration anderer
Verkehrsbetriebe von New York - wie der Long Island Railroad oder der Staten Island
Railroad - unter der Regie der Transit Authority, schließt die Entwicklung ab. |

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Perfekte Tarnung im U-Bahnhof Van Wyck Boulevard der
Queens Boulevard Line. In der 1988 eröffneten Station verschwinden die U-Bahnzüge mit
ihrer horizontal profillierten Außenhaut optisch vor der gleichartig gegliederten
Wandfassade. Die Oberlichter öffnen sich zum parallel vorbeiführenden Van Wyck
Expressway. |
New York
bleibt die Stadt der Superlative. Das Verlassen vertrauter Dimensionen, durch die
Errichtung der Wolkenkratzer in Manhattan über der Erde eindrucksvoll manifestiert,
vollzog sich zu gleicher Zeit auch unter ihr. Die "Dual Contract"- Strecken
z.B., die zwischen 1907 und 1925 im felsigen Untergrund entstanden, wurden in ihren Kosten
seinerzeit nur vom Bau des Panama-Kanals übertroffen. |