Flushing Line

Eine Ausnahme unter den Strecken der IRT bildet die Flushing Line, die im reinen Linienbetrieb befahren wird, ohne Verzweigungen oder Anschlüsse an das übrige Netz. Eine Besonderheit bestand bis in die fünfziger Jahre in der gemeinschaftlichen Nutzung des östlichen Streckenabschnittes mit der BMT. Gleiches galt auf der Astoria Line. Erst im Zuge einer Linienbereinigung erfolgte die Aufteilung der beiden Äste zwischen den zwei Gesellschaften. Mit den anderen Strecken gemein hat die Flushing Line dagegen die Aufteilung in Local- und Expressverkehr. Während der Rush Hour werden zusätzliche Züge eingelegt, die, nur in der jeweiligen Hauptverkehrsrichtung, Queens fast ohne Halt durchfahren.

Die Linie 7 beginnt am Times Square. An der Südseite des Platzes, auf einem spitzwinkligen Grundstück zwischen 42nd Street und 43rd Street mit der Hausnummer 1 befand sich die Redaktion der "Times". Nach deren Umzug in eine der benachbarten Querstraßen (43rd Street) wurde das Gebäude in den sechziger Jahren umgebaut und wechselte wiederholt den Besitzer. Nach wie vor aber verkündet ein um das Haus führendes Leuchtband die neuesten Nachrichten aus aller Welt. Der Bahnhof der Flushing Line, 42nd Street — Times Square, liegt eigentlich unter der 41st Street. Die zweigleisige Strecke verfügt auf ihrem unterirdischen Abschnitt in Manhattan ausschließlich über Mittelbahnsteige. An der Kreuzung mit der Sixth Avenue, eingerahmt von grandioser Wolkenkratzerkulisse, lädt der Bryant Park zum Verweilen ein, eine Oase inmitten der Großstadthektik. Hier fand 1853 die erste New Yorker Weltausstellung — im damals neugebauten Crystal Palace — statt. Unter dem Park schwenkt die Trasse zur 42nd Street mit dem Bahnhof an der Fifth Avenue. Bis vor zu dieser Straße erstreckt sich an der Ostseite des Bryant Park der 1911 eingeweihte klassizistische Bau der New York Public Library. Zusammen mit etwa 80 Zweigstellen, die über die ganze Stadt verteilt sind, verfügt die Bibliothek mit mehr als 8,5 Millionen Büchern über den zweitgrößten Bestand der USA nach der Kongreßbücherei in Washington. Das Gebäude dient weiterhin für Ausstellungen, Lesungen und Filmvorführungen.

Die Flushing Line folgt weiter der 42nd Street. Entlang dieses Straßenzuges verkehrte auch einst die Straßenbahn. 1946 stillgelegt, um dem Autoverkehr Platz zu machen, gibt es mittlerweile Überlegungen zur Reaktivierung der Strecke (auf eigener Gleistrasse), da die hier eingesetzten Busse hoffnungslos im Verkehr steckenbleiben.

Die nächste Station, 42nd Street - Grand Central, fällt durch den gewölbten Deckenquerschnitt auf. Die Lasten werden so abgetragen, daß der Bahnhof ohne Mittelstützen auskommt. 200 Meter weiter östlich, an der Lexington Avenue, erhebt sich das 1930 fertiggestellte Chrysler Building. Mit 319 Metern galt es für ein Jahr, bis zur Vollendung des Empire State Building, als höchstes Gebäude der Welt. Seine Fassade versinnbildlicht die Stilrichtung des "Art Deco", die 1925 in Paris auf der Internationalen Ausstellung kreiert wurde. Die Architektur vereint die Wiener Schule mit dem deutschen Expressionismus, die Dynamik des Futurismus mit Elementen des Kubismus. Bei seinem Bau geriet das Chrysler Building in Gefahr, vom gleichzeitig entstehenden Gebäude der Bank of Manhattan (heute: "40 Wall Street Building") an Höhe übertroffen zu werden. Als Folge wurde eine 36 Meter hohe Spitze aus Edelstahl aufgesetzt, die den Konkurrenten in Downtown um einiges überragt.

42nd Street Ecke Second Avenue lautet die Adresse einer weiteren bedeutenden Zeitung. Die mit einer Auflagenstärke von 2,3 Millionen erscheinende "Daily News" residiert hier seit 1930 in einem 36-stöckigen Hochhaus. In der Eingangshalle thront ein mächtiger, sich drehender Globus, die Uhrzeiten der wichtigsten Orte der Welt werden angezeigt, sowie die sensationellsten Fotos des Tages ausgestellt.

Straße und U-Bahn senken sich Richtung Osten zum East River ab. Tudor City, eine 1929 entstandene zweigeteilte Wohnsiedlung aus zwölf Gebäuden, liegt bereits einige Meter über dem Straßenniveau. Eine Brücke verbindet beide Hälften der Anlage. Am Ende der 42nd Street streift die Trasse das Gelände der United Nations Headquarters. Die Fläche zwischen First Avenue und East River wurde den Vereinten Nationen von John D. Rockefeller geschenkt. Das Hauptquartier der UNO — seit 1953 an seinem jetzigen Ort - besteht im wesentlichen aus der Dag Hammarskjöld Bibliothek, dem Konferenzbau, dem Saal der Vollversammlung und dem 154 Meter hohen Sekretariatsgebäude. Der 39 Etagen umfassende Glasbau auf rechteckigem Grundriß wurde mit seiner klaren Ausdrucksform richtungsweisend für die moderne Architektur.

Durch die Steinway Tubes unter dem East River hindurch erreicht die Strecke Long Island mit der ersten Station Vernon Avenue - Jackson Avenue. Die in Queens gelegenen Bahnhöfe der Flushing Line weisen mit Ausnahme der Expresshalte sämtlichst Seitenbahnsteige auf. Der Vernon Boulevard läuft in südlicher Richtung auf die Long Island City Station der Long Island Railroad zu. Dieser Bahnhof mit großem Namen überrascht in der Realität durch seinen bescheidenen, fast ländlichen Charakter. An zwei provisorisch anmutenden Bahnsteigen enden einzelne Personenzüge, die meist nur einen Anschlußverkehr zur Hauptstrecke der LIRR herstellen. Größere Bedeutung scheint noch der Güterumschlag zu besitzen, mehrere Abstellgleise sind vorhanden. Der Großteil der Züge indessen kreuzt den Bahnhof unterirdisch, ohne Halt. Die 1910 eröffneten Eisenbahntunnel nach Manhattan ermöglichen einen durchgehenden Verkehr der Long Island Railroad bis Pennsylvania Station. An der nächsten U-Bahn-Station, Hunters Point Avenue, liegt unmittelbar südlich eine der Rampen der viergleisigen Tunnelstrecke. Die Flushing Line taucht neben der Eisenbahn aus dem Untergrund auf. Früher durchschnitt sie ausgedehnte Güteranlagen, von denen heute nur noch Reste vorhanden sind. Vorbei am benachbarten Bahnhof Hunters Point Avenue der LIRR, beschreibt die Trasse eine rechtwinklige Kurve zur Davis Street. Entlang dieser und der 23rd Street mit der Station 45th Road - Courthouse Square strebt die Bahn Queensboro Plaza zu. Das stadtauswärts führende Gleis steigt allmählich an. Bei der Auffahrt zur Queensboro Bridge legt sich die Strecke, nun in zwei Ebenen übereinander, neben eine ebenfalls doppelstöckige Trasse, die parallel zur Brücke verlaufende Lower Broadway Line der BMT. Beide münden gemeinsam in den Bahnhof Queensboro Plaza, ein Bauwerk, das besondere Beachtung verdient. Über der Straße erhebt sich die zweigeschossige Anlage mit übereinanderliegenden Mittelbahnsteigen, an deren südlichen Kanten die Züge der IRT, an den nördlichen die der BMT halten. Der obere Bahnsteig dient dem Verkehr nach Norden bzw. Osten, der untere den beiden umgekehrten Richtungen. Kaum zu vermuten ist, daß der in seiner Breite heute zweigleisige Bau nur die Hälfte des ursprünglichen Bahnhofskomplexes darstellt. Bis 1949 schlossen sich an der Nordseite noch einmal vier, auf zwei Ebenen mit zwei Bahnsteigen verteilte Gleise an. Außer den heute existierenden Strecken mündete zusätzlich noch die Second Avenue Line der Hochbahn von Manhattan mit einer Zweigstrecke über die Queensboro Bridge in den Bahnhof ein. Zu erahnen ist das ehemalige Ausmaß von Queensboro Plaza am westlichen Ende, wo die BMT-Strecke auf ihre ursprüngliche Trasse übergeht. Hier kann man anhand der leeren Gleiströge deren ehemalige Weiterführung gut verfolgen. Auch an der Ostseite erinnern heute ungenutzte Viadukte an die einstmals verworrene Ein- und Ausfädelung der Strecken (siehe auch Lower Broadway Line der BMT).

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Oberirdisch, aber geduckt wie ein U-Bahnhof. In der Station Queensboro Plaza teilen sich IRT und BMT jeweils eine Bahnsteigebene; die untere dient den Zügen Richtung Westen.

Das Gebiet um Queensboro Plaza, Long Island City (der Name ist übrigens nicht historischen Ursprungs, sondern wurde 1870 von einer hier ansässigen Zeitung, dem "Long Island City Star" übernommen), entwickelte sich rasch durch seine Fährverbindungen nach Manhattan; als Zentrum des Stadtbezirks kann man es jedoch nicht eindeutig bezeichnen. Anders als in Brooklyn ist die Struktur von Queens dezentraler, es gibt mehrere gleichrangige Kerne, und auch die Verwaltung hat sich weiter außerhalb, in Kew Gardens, niedergelassen. Unbestritten aber ist Queensboro Plaza der bedeutendste Verkehrsknoten des Bezirks.

Nachdem sich die Astoria Line von der gemeinsamen Trasse wieder getrennt hat, kreuzt die Flushing Line umfangreiche Bahnanlagen. Zuerst überqueren die beiden (ursprünglich vier) Gleise der U-Bahn den Sunnyside Yard, ein ausgedehntes Gelände zum Aufstellen der in Pennsylvania Station ein- bzw. aussetzenden AMTRAK-Züge, und daran anschließend die Hauptstrecke der Long Island Railroad, die hier ebenfalls von der AMTRAK befahrenen wird. Hinter dem Kürzel "AMTRAK" verbirgt sich die National Railroad Passenger Corporation, eine 1971 ins Leben gerufene Gesellschaft, die den Intercity-Verkehr zwischen den wichtigsten Städten der USA abwickelt. Long Island berührt sie dabei nur auf einer Länge von etwa acht Kilometern, ohne Zwischenstop. Nach etwa der Hälfte entfernt sich die Strecke der AMTRAK von der Long Island Railroad und führt weiter über die Triborough Bridge zurück auf das Festland.

Hinter der Eisenbahnüberquerung beginnt heutzutage, nach dem Rückbau von Queensboro Plaza, der dreigleisige Abschnitt der Flushing Line. Die Strecke verläuft über dem Queens Boulevard, eine der großen Achsen des Stadtbezirks. Nach drei Stationen, 33rd Street (Rawson Street), 40th Street (Lowery Street) und 46th Street (Bliss Street), wechselt die Trasse zur Greenpoint Avenue. Bevor diese in die Roosevelt Avenue übergeht, folgt ein weiterer Halt an der 52nd Street (Lincoln Avenue).

In Woodside wird die hier sechsgleisige Strecke der Long Island Railroad erneut gekreuzt. Der nach dem Stadtteil benannte Gemeinschaftsbahnhof ist ein wichtiger Umsteigepunkt zwischen der LIRR und der U-Bahn. Die beiden Mittelbahnsteige der Station 61st Street — Woodside - hier halten auch die Expresszüge - befinden sich direkt über den quer liegenden Bahnsteigen der Eisenbahn. Weiter Richtung Osten verringert sich die Trasse der Long Island Railroad auf vier Gleise, Richtung Port Washington zweigt eine zweigleisige Strecke ab.

Die U-Bahn folgt weiter der Roosevelt Avenue mit den Stationen 69th Street (Fisk Avenue), 74th Street - Broadway, 82nd Street - Jackson Heights und 90th Street — Elmhurst Avenue. Der Bahnhof Junction Boulevard weist wiederum Mittelbahnsteige auf. Hier und an den nächsten beiden Stationen - zuerst bei 103rd Street — Corona Plaza - berührt die Flushing Line den Stadtteil Corona, eine der älteren Ansiedlungen von Queens. An der 111st Street führt die mittlere Expresstrasse eine Ebene über dem Bahnhof hinweg. Darunter zweigen die Anschlußgleise zum Corona Yard ab, der Betriebswerkstatt der Flushing Line.

Östlich von Corona schließt sich ein langgestreckter Grünzug an, der sich aus dem Corona Park im Süden und Flushing Meadows zusammensetzt. Dieser Ort wird immer wieder genannt im Zusammenhang mit den regelmäßig hier stattfindenden internationalen Tennisturnieren. Seine Popularität für New York erlangte der Park jedoch durch die beiden Weltausstellungen 1939 und 1964, wofür wesentliche Teile der Anlage neu gestaltet wurden. Überbleibsel der Ausstellungen sind verschiedene Bauten, z. B. die Hall of Science, ein wissenschaftliches Museum, das "Queens Museum of Art" mit dem größten Stadtmodell der Welt, oder das Wahrzeichen von Flushing Meadows, ein 42 Meter hoher Globus ("Unisphere"). Der das Gelände erschließende Bahnhof, mit einem Mittel- und zwei Seitenbahnsteigen entsprechend großzügiger dimensioniert, trägt den Namen Willets Point - Shea Stadium. Seine Bezeichnung weist auf eine weitere, nördlich der Bahn gelegene Sehenswürdigkeit hin, das 1964/65 für die "New York Mets" nach deren Rückkehr an die Ostküste angelegte Football- und Baseballstadion.

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Wer New York auf eine andere Art und Weise kennenlernen will, der sollte einen Besuch im Queens Museum of Art in Flushing Meadows nicht versäumen. Dort ist im Maßstab 1:1200 ein Modell des gesamten Stadtgebietes (samt Hochbahnstrecken!) zu bewundern. Es entstand anläßlich der Weltausstellung 1964.

Vor der letzten Station, nach der Überquerung eines Zuflusses der Flushing Bay und des Van Wyck Parkway, verschwindet die Strecke im Tunnel. Im unterirdischen Bahnhof Main Street - Flushing enden alle drei Gleise stumpf an zwei Mittelbahnsteigen. Ein Bahnhof gleichen Namens liegt nur wenige Meter entfernt an der schon erwähnten Zweigstrecke der Long Island Railroad nach Port Washington. Der Ursprung des Stadtteils geht auf eine holländische Gründung mit der Bezeichnung "Vlissingen" zurück, woraus die Engländer später Flushing machten. Heute dominieren in seinem Zentrum die Chinesen und nur wenig unterscheidet sich das Bild von Chinatown in Manhattan. Etwas außerhalb ändert sich aber rasch das Bild. Das nördlich anschließende Whitestone gehört zu den vornehmen Wohnvierteln mit Villen, geschnittenem Rasen und großem Wagen vor dem Haus. Diese (äußerliche) Idylle verrät nur wenig von der Zugehörigkeit zu New York.

Die Inbetriebnahme der Flushing Line vollzog sich in mehreren Etappen. Den Anfang machte am 22. Juni 1915 die Wiederinbetriebnahme der Steinway Tubes unter dem East River zwischen den Stationen Grand Central und Vernon Jackson. Am 15. Februar 1916 erfolgte die Verlängerung bis Hunters Point Avenue, am 5. November des gleichen Jahres bis Queensboro Plaza. Corona (103rd Street) wurde seit dem 21. April 1917 erreicht. 10 Jahre später erst ist auch Flushing - mit der schrittweisen Erweiterung der Strecke bis 111st Street (am 13. Oktober 1925), bis Willets Point (am 14. Mai 1927) und bis Main Street — Flushing (am 21. Februar 1928) - an die U-Bahn angeschlossen worden. Auch die Verlängerung in Manhattan ließ auf sich warten. Ab 22. März 1926 fuhren die Züge bis Fifth Avenue, seit dem 14 März 1927 dann bis Times Square.

Die Linie 7 benötigt für die fast 15 km lange Strecke von Times Square bis Flushing 31 Minuten, was einer Geschwindigkeit von 28,8 km/h entspricht. Die Expresszüge holen fünf Minuten auf; sie brauchen im Durchschnitt nur 26 Minuten. Der Zugabstand beträgt während des Tages etwa 6 Minuten, zur Rush Hour verdichtet er sich auf 2 - 3 Minuten, wobei vereinzelte Züge nur bis 111st Street verkehren. Auf dem Expressgleis besteht eine Zugfolge von durchschnittlich fünf Minuten.

 

BMT-Strecken